Furioses Finale

MAZ Oranienburg 22.12.2022, 13:03 Uhr

Oranienburger Kirchenchor mit Interimskantor Florian Wilkes.

Die letzten Tage als Interimskantor in Oranienburg sind für Florian Wilkes eine große Herausforderung. Der Terminkalender des musizierenden Rechtsanwaltes ist rappelvoll. Unabhängig davon verfolgt er mit seinen Mitstreitern das große Ziel, für die Nicolaikirche eine neue Orgel zu beschaffen.

Oranienburg. Noch ein paar Tage, dann ist die Zeit von Florian Wilkes als Interimskantor der Evangelischen Kirche in Oranienburg vorbei. Bis zum Jahresende wird er Kantor Markus Pfeiffer, der im letzten Dreivierteljahr in Elternzeit war, noch vertreten. Die Adventszeit samt dem Weihnachtsfest und den Tagen bis zur Jahreswende entwickelt sich für Florian Wilkes zu einem furiosen Finale. „Zum Osterfest und in der Adventszeit geht es immer richtig hoch her“, sagt der studierte Kirchenmusiker und Konzertorganist, der seit der Zeit von Kantor Jack Day (ging 2017 nach Berlin) zum festen Stamm der Kirchenmusiker in Oranienburg zählt.

Florian Wilkes vor „seinem“ Chor.

Florian Wilkes vor „seinem“ Chor. © Quelle: Stefan Determann

An mehreren Schauplätzen in Aktion

Bei den jährlichen 52 Orgelkonzerten (seit 2010) und den 52 Klavierkonzerten (seit 2017) in der Nicolaikirche Oranienburg gilt Florian Wilkes, der Anwalt seiner eigenen Berliner Kanzlei ist, als gesetzt. Er macht dort regelmäßig an Orgel und Klavier Musik. Dazu kam die musikalische Begleitung der Gottesdienste. Vor allem aber habe sich für ihn die Leitung des Chores, die mit zur Interimstätigkeit gehört, als sehr umfangreich entpuppt. „Es gab ja nicht nur die normalen Proben. Wenn man größere Oratorien einstudiert, trifft man sich öfter“, sagt der 60-Jährige. Da zählt er die Stimmgruppenproben (Damen/Herren oder Alt/Sopran) beziehungsweise die mit den Solisten noch gar nicht mit; auch nicht sein Engagement bei der katholischen Kirche in Oranienburg (einmal in der Woche leitet er dort den Chor an). „Ich scheue Arbeit nicht. Ich freue mich, dass Markus Pfeiffer, den ich sehr schätze, mir diese Aufgabe zutraut und mich einfach machen lässt.“ Was er nur am Rande erwähnt: In Berlin besitzt er eine halbe Stelle als Kirchenmusiker, in Brandenburg/Havel übernahm er im Januar die Leitung eines Chores („Was soll man denn machen, wenn man gefragt wird?“). Und wann kommt die Anwaltstätigkeit an die Reihe? „Ich habe drei wirklich gute Mitarbeiter. Deshalb kann ich die Musik machen.“

Akkordarbeit an Heiligabend und in den Tagen danach

Am Heiligen Abend muss sich Florian Wilkes Siebenmeilenstiefel anziehen. Denn er wird zusätzlich zu seinen Auftritten in Oranienburg bei einer guten Freundin in Werneuchen aushelfen. „Dort besuchen wir vier Gottesdienste. Anschließend fahre ich nach Oranienburg zur katholischen Gemeinde zum Gottesdienst. Hinterher spiele ich in der Nicolaikirche. Und an den beiden Feiertagen geht es weiter.“ Zwischen Weihnachten und Silvester wird für das Weihnachtsoratorium am 30. Dezember, 20 Uhr, in der Nicolaikirche geprobt. Und am Silvesterabend begleitet Florian Wilkes den ersten Solotrompeter des Landespolizeiorchesters Berlin, Andreas George, bei der „Feuer(werks)musik“ von Händel an der Orgel mit Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 von Johann Sebastian Bach (ebenfalls in der Nicolaikirche). „Ja, nach so einem Programm ist man groggy.“

Kampf für eine neue Orgel

Der Musiker legt sich in Oranienburg noch an anderer Stelle mächtig ins Zeug: für eine neue Orgel in der Nicolaikirche. Die ursprüngliche Orgel mit 40 Registern wurde 1945 durch einen Brand zerstört. 1972 erwarb die Oranienburger Kirche aus Bad Freienwalde eine vergleichsweise kleine Orgel mit zwölf Registern. Dieses Provisorium hat heute noch Bestand. Jack Day begann 2010 damit, Werbung für eine neue, moderne Orgel zu machen. Die wöchentlichen Konzerte dienen seitdem als kleine Einnahmequelle. Maximal 100 Euro kommen bei einem Orgelkonzert, maximal 150 Euro bei einem Klavierkonzert zusammen.

Kosten: Von einer Million Euro ist auszugehen

Der 2017 gegründete „Förderverein für Orgel- und Kirchenmusik an St. Nicolai in Oranienburg e.V.“ versucht ebenfalls, Gelder zu akquirieren. Bislang kamen etwa 80 000 Euro zusammen. „Das ist natürlich sehr wenig. Wenn man ganz ehrlich ist, brauchen wir eine Million Euro, um eine neue und moderne Orgel einzubauen und einen der Kirche angemessenen Konzertflügel von sicherlich 2,80 Meter Länge anzuschaffen“, sagt Florian Wilkes (der jetzige ist eine Leihgabe). „Das können wir allein gar nicht schaffen. Dazu brauchen wir die großen Weltunternehmen aus Oranienburg.“ Der Musiker weiß, dass die Kirchen der vier größten Brandenburger Städte durchweg mit exzellenten Orgeln ausgestattet sind. „Oranienburg als fünftgrößte Stadt muss seit 50 Jahren mit diesem Provisorium leben. Ein Unding.“ Es gebe Ideen für die Mitfinanzierung; Pfeifenpatenschaften zum Beispiel. „Aber letztlich geht es nur mit Hilfe der Wirtschaft.“ Ob Florian Wilkes einen Neubau noch erleben werde, weiß er nicht, „aber ich würde die Sache gern mit anschieben“. An Heiligabend und in den nächsten Tagen gilt seine volle Konzentration aber erstmal ganz der Musik.

Von Stefan Blumberg

 

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